Nordkurier | Norddeutscher liebt Spinnstunden mit der Familie

Von Bärbel Gudat
 
SPD-Mann Michael Stieber bewirbt sich um den Posten des Neubrandenburger Oberbürgermeisters. Seine Frau Kristin und die Söhne Kilian und Tristan stärken ihm den Rücken. Sie sind der Überzeugung, dass er es schaffen kann.
 
NEUBRANDENBURG. Wer zu Michael Stieber privat will, der muss bis unters Dach des sanierten Altbaus steigen. Unten wohnen die Eltern, in der Mitte die Schwester und Michael Stieber mit seiner Frau und den beiden Jungs ganz oben. „Dass wir hier in einem Haus zusammen leben, hat sich irgendwie so ergeben“, sagt Michael Stieber.

 

Vielleicht hat es aber doch etwas mit dem Familiensinn des Bürgermeisterkandidaten zu tun. Denn dass seine Familie die Entscheidung zur Kandidatur für dieses Amt mitträgt, ist dem 47-Jährigen sehr wichtig. Schon 2013 war es ein Thema in den Stieberschen vier Wänden. Was soll er antworten, wenn seine Partei ihn auswählt und fragt? Er wollte wissen, was seine Familie zur Kandidatur meint. Sein jüngerer Sohn hatte anfangs ein paar Probleme mit der dazugehörigen Aufmerksamkeit. Aber seine Bedenken sind ausgeräumt.

Im offenen Brief an Sohn die Motivation erläutert
Der Ältere teilt die Politikleidenschaft seines Vaters. Er hat Politik studiert, zurzeit für ein Austauschjahr in China. An ihn hat Michael Stieber im Wahlkampf einen offenen Brief verfasst. Darin hat er über die Motivation für seine Kandidatur geschrieben. Nachwuchs mit Energie, Offenheit und Ideen werde gebraucht, steht da zu lesen. Mit dem Blick fürs Ganze. „Deshalb möchte ich helfen, eine Stadt zu entwickeln, in die man gern zurückkommt. Ich will mit dafür sorgen, dass ihr auch eine Zukunft hier habt – und mit euch wir alle“, schreibt er an seinen Sohn.

Stiebers Frau Kristin hat Vertrauen in die Fähigkeiten ihres Gatten und ihn bestärkt, Ja zur Kandidatur zu sagen. Ihr Mann sei in öffentliche Ämter hineingewachsen. „Das ging aber nicht von null auf hundert.“ Den Einstieg fand Michael Stieber 2002 als Büroleiter des Landtagsabgeordneten Frank Lohse. Bis dahin hatte er ein Medizinstudium abgebrochen und auch aus einem Philosophie-, Germanistik- und Geschichtsstudium stieg er nach drei Jahren aus. Er schlug sich als Webdesigner durch.

2006 kandidierte er für die SPD für den Landtag. Heute ist die Liste der Parteiämter lang. Stieber sitzt für die Sozialdemokraten in der Stadtvertretung und im Kreistag. Seine Brötchen verdient er als Parteiarbeiter seit 2011 im Büro des Landtagsabgeordneten Manfred Dachner.

Der gebürtige Greifswalder bezeichnet sich selbst als klassisch norddeutsch, hält nichts von selbstdarstellerischen Monologen. Wenn zum Beispiel während der Kulturausschusssitzung zur Theater- und Orchester GmbH alles gesagt ist, dann hält er sich zurück. Auch wenn er als Vorsitzender des Kulturausschusses und als Aufsichtsratsvorsitzender durchaus viel hinzufügen könnte. In persönlichen Gesprächen ist er neugierig, bleibt sachlich und freundlich. „Der persönliche Zugang ist einfach ganz wichtig“, bekräftigt Stieber. Er möchte kein Verwaltungsmeister werden, sondern Bürgermeister. Wie es den Norddeutschen eigen ist, wartet er erst mal ab. Aber wer ihn als Freund gewonnen hat, der kann sich auf ihn verlassen. Typisch norddeutsch eben.

Zu Hause kann Michael Stieber seinem Affen auch mal Zucker geben. Dann nämlich, wenn er mit seinen beiden Söhnen so richtig ins Spinnen kommt. „Die Gespräche mit meinen Söhnen haben häufig mit alten Geschichten zu tun. Meistens sind es welche von mir, manchmal von meinen Eltern und Großeltern, ab und zu welche von ihnen. Und unter Umständen entwickeln sich dann „hätte, würde, könnte“-Spinnereien daraus.“ In denen auch schon mal bekannte Schauspieler „Rollen“ bekommen. Kristin, seine Frau, hat großen Spaß daran, den Dreien bei ihren Spinnereien zuzuhören.

Über Ungarn in den Westen
Michael und Kristin Stieber kennen sich seit 25 Jahren. Ihre Liebesgeschichte ist irgendwie eine private Wendegeschichte. Im Oktober 1989 floh Michael Stieber mit einem Freund über Ungarn in den Westen. Ihm war es in der DDR einfach zu eng geworden. Das Leben lief in eingefahrenen und vorherbestimmten Gleisen. Dem wollten sich die beiden jungen Männer entziehen. Kurz nach der Grenzöffnung kam Michael Stieber aber auf Heimaturlaub nach Neubrandenburg und verliebte sich prompt. Er musste aber erst mal wieder zurück. Bis zum Wiedersehen zu Ostern 1990 habe er ihr wunderschöne, lange Briefe geschrieben, erinnert sich Kristin Stieber. Ein Grund für sie, sich für ihn zu entscheiden, sagt sie mit einem verschmitzten Lächeln.

Wer aber glaubt, die beiden würden bald ihre Silberhochzeit feiern, irrt. Der Trauschein war dem Paar anfangs nicht so wichtig. Im Jahr 2000 machten sie ihre Partnerschaft dann doch offiziell, da gehörten die Söhne Kilian und Tristan schon zur Familie.

Den Platz in der Öffentlichkeit überlässt Kristin Stieber gern ihrem Mann. Sie ist auch nicht böse, wenn er ihren selbst gebackenen Dinkelkuchen verschmäht. Er ist eher ein Fan des Streuselkuchens von Bäcker Gesche. Dessen Kuchen schmecke so wie der von seiner Oma, sagt er. Sie habe ihm viele Werte vermittelt. Mit diesem Familiensinn ist es verständlich, dass die alten dunklen Holzmöbel seiner Großeltern ein Zimmer in der Wohnung füllen.

Ein roter Grüner, der gerne Platten hört 
Michael Stieber verzichtet außerdem auf Fleisch. „Ich habe mich irgendwann mal entschieden, kein Fleisch mehr zu essen. Einmal den Sonntagsbraten und noch einmal Fleisch in der Woche, dann kann ich es doch auch weglassen“, hat er sich gesagt. Was das angeht, sei er ein roter Grüner, scherzt der 47-Jährige. Dazu passt auch sein Fahrrad, mit dem er unterwegs ist. Auch wenn er bekennt, dass er Sport nur treibe, wenn er Lust dazu habe. „Ich rede aber gern über Sport“. Andererseits radelte er schon auch kilometerlang in Richtung Rügen.

In der Stieberschen Wohnung unterm Dach dominiert Holz. Das bringt Wärme. Ein kleines Zimmer ist vollgestopft mit Büchern und Schallplatten. Was er gern hört, darauf will Michael Stieber sich nicht festlegen. Sein Musikgeschmack sei ungeheuer breit gefächert. Plattencover umhüllen Scheiben mit Rock, Blues, Jazz. Eins steht dabei für ihn fest: „Für den Musikgenuss muss man was tun.“ Nämlich die Platten umdrehen, sagt er.

Unterschiedliche Gitarren stehen in der Ecke des gemütlichen Zimmers. Ist das Dekoration? „Ich kann ein bisschen klimpern. Fürs Lagerfeuer reicht es vielleicht.“ Außerdem türmen sich unzählige Bücher auf den Regalen. Von Reisebänden über Biografien bis hin zu Romanen findet sich da alles. Neuer Lesestoff wird schon mal auf dem Flohmarkt gesucht. Ob dafür noch Zeit bleibt, wenn er gewählt wird?
Kontakt zur Autorin b.gudat@nordkurier.de