Nordkurier | Neubrandenburger wollen es wissen: Große Neugier beim Nordkurier-Kandidatenforum

Von Thomas Beigang und Anett Seidel
 
Die Heimatzeitung hat geladen und ganz viele sind gekommen, um die eine Frau und die fünf Männer zu erleben, die am 1. März Oberbürgermeister in der Viertorestadt werden wollen. Und erleben dabei auch eine Glocke im Dauereinsatz.
 
NEUBRANDENBURG. Voll, voller, Nordkurier-Forum. Schon eine Viertelstunde, bevor am Donnerstagabend im Radisson- Blu-Hotel der Startschuss für das Löcher-in-den-Bauchfragen der Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl fiel, ist der letzte freie Stuhl für alle Neugierigen längst besetzt. Fleißige Helfer aus dem Hotel schleppen weitere Stühle in den Saal, am Ende nutzt alles nichts. In Dreierreihen stehen die Leute hinten, alle anderen, die beim besten Willen nicht mehr hineinkamen, müssen sich die Veranstaltung via Lautsprecher im Vorraum anhören. 

 

Erste Frage dreht sich um Neugestaltung des Marktes 
Los geht es mit einem Thema, das den allermeisten Neubrandenburgern auf den Nägeln brennt. Moderator Andreas Segeth, Redakteur beim Nordkurier, fragt nach: Der Abriss des Hotels am Markt und die geplante Neugestaltung des Areals, unter anderem mit dem Bau eines großen Geschäftshauses durch private Investoren. Teilen die Kandidaten die Sorgen vieler Einwohner? Torsten Koplin (Linke) kritisiert die bisherigen Planungen und nennt sie ein Sinnbild für mangelnde Kommunikation zwischen Rathaus und Einwohnern. Er wolle, gewinnt er die Wahl, diese Angelegenheit zur Chefsache machen. Diana Kuhk (CDU) findet gut, dass hier jemand investieren will. Gleichwohl sei noch nicht alles in Tüten und Papier, die Stadt habe noch Chancen mit einem städtebaulichen Vertrag zwischen Investor und Stadt auch in die Gestaltung einzugreifen. 

Einzelbewerber Michael Nötzel will als neuer Rathaus- Chef sofort auf die Investoren zugehen und klären: Wie offen sind die für die Bedenken der Neubrandenburger gegen die bisherigen Planungen? Auch Manfred Pawlowski denkt, die Sache sei bisher nicht gut gelaufen und würde sich sofort dahinterklemmen, der gleichen Ansicht ist der SPD-Mann Michael Stieber, der sich für die Gestaltung auch einen Architektenwettstreit gewünscht hätte und der Stadtentwicklung sowieso oberste Priorität einräumen will. Einzelbewerber Silvio Witt findet es schade, dass keine städtische Gesellschaft das Hotel-Grundstück erstanden hat und sehnt sich nach Orten der Gemütlichkeit im Zentrum der Stadt. 

Beim Thema Therme und Schwimmbad geraten die Gemüter schon etwas in Wallung. Hatte doch Koplin versprochen, für den Bau einer modernen Schwimmhalle in der Stadt zu sorgen. Das müsse doch möglich sein in sieben Jahren Amtszeit, so der Linken-Politiker. Nötzel wirft ihm deswegen Unseriosität vor, Koplin suggeriere Erwartungen, die nicht erfüllt werden können. Diana Kuhk hat aus finanziellen Gründen mit einem Schwimmhallen- Neubau ihre Probleme, mit der alten Halle sei immerhin das Schul- und Vereinsschwimmen abgesichert. Für FDP-Mann Pawlowski ist Koplins Versprechen ebenfalls ein Ding der Unmöglichkeit. Stieber verweist auf die vielen sanierungsbedürftigen Objekte, die man in der Stadt vor der Nase hat und Witt findet zwar den Gedanken an einen Neubau reizvoll, aber nur, wenn sich ein privater Investor fände. 

Respekt vor und Lust auf schönsten Job der Welt 
Jetzt sind auch die Frauen und Männer aus dem Publikum warm geworden – und nicht nur wegen des großen Gedränges. Warum wollen die sechs Leute da vorn auf dem Podest überhaupt Oberbürgermeister oder Oberbürgermeisterin werden, fragt eine Dame, die zu ihrem Glück noch einen Sitzplatz erwischt hat. Sie sei dafür geeignet, so die einzige Frau unter den Bewerbern. Sie fühle sich gut und besitze auch die Kraft dafür, sagt Diana Kuhk. 


Michael Stieber: 
"OB ist schönster
Job der Welt."
Fotos: Ingmar Nehls 
Michael Nötzel will die Stadt nach vorn bringen, er ist ein „alter“ Neubrandenburger und weiß, wo sich die Stolpersteine verstecken. Manfred Pawlowski lächelt und fragt: „Jetzt sind Sie gespannt?“ Er hat jedenfalls keine Angst vor dem Job, wohl aber Respekt. Silvio Witt verweist auf seine Stärke, mit Menschen reden zu können und auch zerstrittene Lager zu einigen. Und für Michael Stieber ist der Oberbürgermeister-Job in seiner Heimatstadt ohnehin der schönste Job der Welt. 

Wer nun glaubt, die Bürgermeisterwahl interessiert nur die Neubrandenburger, der irrt. Selbst Burg Stargarder nutzen das Forum. Die Gewerbesteuer in der Stadt macht einem Handwerker aus der Nachbarstadt zu schaffen, der hier seinen Firmensitz hat. Von 420 auf 440 Prozent soll die Steuer steigen. So viel wird in Stuttgart und Jena gezahlt. „Ich habe das Gefühl, dass die Stadtkassen so gefüllt werden sollen. Werden sie für eine Anhebung der Gewerbesteuer stimmen?“, fragt der Mann. 

Silvio Witt, selbst Unternehmer, sagt deutlich „Nein.“ Er macht darauf aufmerksam, dass der Oberbürgermeister allerdings bei solchen Entscheidungen nicht mit abstimmt. Michael Stieber hält sich bedeckt und spricht von einer mehr oder weniger freiwilligen Anhebung der Steuern. Er verweist auf die Vorgaben aus Schwerin. Dem stimmt auch Torsten Koplin zu, fügt jedoch hinzu, dass er sich, soweit möglich, gegen Steuererhöhungen ausspreche und sich dafür einsetzen würde, die Gewerbesteuer zu senken. Michael Nötzel gibt den Hinweis: Wenn Schwerin auf eine Erhöhung der Gewerbesteuer pocht, müssen die Stadtvertreter dem nachkommen, ansonsten wirke sich das auf die Schlüsselzuweisungen und damit auf die Finanzen der Stadt aus. „Ich habe dabei Bauchschmerzen“, betont Diana Kuhk. Wenn noch drei Millionen Euro gefunden werden, um den städtischen Haushalt auszugleichen, würde auch sie sich gegen eine Erhöhung der Gewerbesteuer aussprechen. Für Manfred Pawlowski sind die Gewerbetreibenden von besonderer Wichtigkeit. Deshalb gibt es auch von ihm ein „Nein“ zur Erhöhung der Gewerbesteuer. 

Redezeit-Glocke läutet bei Kandidatin am häufigsten 
Ein Thema, dass zunächst für Stimmung im Saal sorgt, ist der Einwurf von Andreas Rösler aus Burg Stargard. Er schlägt eine Fusion mit Burg Stargard vor. Schließlich sei in der Vergangenheit die Zusammenarbeit nicht optimal gelaufen, meint der Stadtvertreter aus der Kleinstadt und macht auf den gestrichenen Tierparkzuschuss aufmerksam. „Haben sie nähere Informationen zur Bereitschaft Burg Stargards zu fusionieren“, fragt Michael Stieber mit Schmunzeln. Diana Kuhk mutmaßt, dass es sich bei dem Vorschlag Röslers doch eher um eine Einzelmeinung handele. „Eine Fusion zu einem späteren Zeitpunkt hat durchaus Charme“, findet indes Torsten Koplin. Silvio Witt, Michael Nötzel und Manfred Pawlowski sprechen sich zunächst erst einmal für eine gute Nachbarschaft aus. „Wir haben Dinge, die sie nicht haben und sie haben Dinge, die wir nicht haben“, so Silvio Witt. Gemeinsam ließe sich das durchaus vermarkten. 

Sicher hätte es an diesem Abend noch viele Fragen und Antworten geben können. Doch die Redezeit der sechs Kandidaten ist beschränkt – maximal zwei Minuten am Stück darf gesprochen werden. Für die Disziplin sorgt eine Glocke, die nach 120 Sekunde lautstark läutet. Siegerin in diesem „Wettbewerb“ wird Diana Kuhk. Gleich fünf Mal scheppert die Glocke ihr in die Worte. Platz 2 teilen sich Koplin, Nötzel, Witt und Stieber. Die vier Männer müssen dreimal angezählt werden. Am diszipliniertesten zeigt sich Manfred Pawlowski. Der FDP-Mann hält sich strikt an die Regeln. 

 

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